NanoTrack - Untersuchung des Lebenszyklus von Nanopartikeln anhand von [45Ti]TiO2 und [105Ag]Ag0


NanoTrack - Untersuchung des Lebenszyklus von Nanopartikeln anhand von [45Ti]TiO2 und [105Ag]Ag0

Franke, K.; Hildebrand, H.; Mehnert, R.; Mai, E.; Freyer, A.; Bilz, E.; Isaacson, C.; Schirmer, K.; Ammann, A.; Sigg, L.

Abstract

Die Herstellung und Nutzung von nanopartikelhaltigen Polymersystemen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Während die Vorteile und gewünschten Eigenschaften von Nanokompositmaterialien vielfach gezeigt werden konnten (z. B. selbstreinigende, kratzfeste Oberflächen, antibakterielle Wirkung des Ag+ aus Ag0-NP), sind die erforderlichen Kenntnisse zur Risikobewertung der typischerweise in Lacksystemen und Beschichtungen eingebrachten Nanopartikel (z. B. TiO2, Ag0) bisher unzureichend. Für nanopartikuläres TiO2 und Ag0 bietet sich zur Technologiefolgeabschätzung der Einsatz von radioisotopischen Sonden an. Die Radiomarkierung von Nanopartikeln eröffnet eine hoch sensitive Nachweismöglichkeit und eignet sich für ein qualitatives und quantitatives Prozessmonitoring, z. B. hinsichtlich des Verhaltens von Nanopartikeln während Alterung und Verschleiß der Kompositmaterialien bis hin zu einer Abschätzung der Freisetzungsraten und des Transports der Nanopartikel in der Umwelt sowie Wechselwirkungen mit Organismen. Die modellhafte Erfassung relevanter Prozesse ermöglicht im Ergebnis Schlussfolgerungen für die Weiterentwicklung von Nanokompositmaterialien.
Im Verbundprojekt NanoTrack werden nanopartikelhaltige (TiO2, Ag0) Modelllacksysteme auf Acrylat-Basis hergestellt und einer beschleunigten Bewitterung ausgesetzt. Dabei konnte für ein Lacksystem mit nanoskaligem TiO2 (P 25, Evonik Industries, dp,TiO2 ≈ 21 nm, Maschinenauftrag mit einer Nassschichtdicke von 4 µm) nach ca. 500 h UV-A-Bestrahlung (Intensität ~ 15 mW/cm2) festgestellt werden, dass die organische Lackmatrix nahezu vollständig zerstört wurde und ein Nanopartikelaustrag somit erfolgen könnte. In Abbildung 1 ist der zeitliche Verlauf des Abbaus einer Polyacrylat-TiO2-Nanokomposit-Beschichtung durch UV-A-Bestrahlung dargestellt. Mittels Infrarot¬spektroskopie (FTIR-ATR) und thermogravimetrischen Messungen konnte dieses Ergebnis eindeutig bestätigt werden. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass die freigesetzten Partikel meist nicht als Primärpartikel, sondern mindestens als Verbünde von wenigen Teilchen, überwiegend jedoch als mikroskalige Aggregate vorliegen.
Modellrechnungen ergaben, dass die im Vergleich zur Schwerkraft sehr starke Dipol-Anziehung der polaren, nanoskaligen TiO2-Teilchen praktisch das Auftreten freier Primärpartikel verhindert.

Abbildung 1: Zeitlicher Verlauf des Abbaus einer Polyacrylat-TiO2-Nanokomposit-Beschichtung (TiO2 P 25, Evonik Industries); A) original, B) t = 2 d (50.000 fache Vergrößerung); C) t = 4 d, D) t = 8 d, E) t = 16 d (75.000 fache Vergrößerung); REM-Aufnahmen: IOM

Für den sensitiven Partikelnachweis werden radiomarkierte Nanopartikel des gleichen Typs (P 25, [44Ti]TiO2 bzw. [110mAg]Ag0) eingesetzt. Die authentische Markierung erfolgte mittels diffusiven Eintrags von Radionukliden in Nanopartikel. Dabei konnten radiochemische Ausbeuten von über 98 % erreicht werden. Die Stabilität der Radiomarkierung wurde in wässrigen Systemen in Abhängigkeit vom pH-Wert der Suspension und der Zeit untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, dass die radioisotopischen Sonden physikalisch und chemisch stabil mit den Nanomaterialien verbunden sind und dem Chemismus der Partikel folgen (z. B. Lösungsgleichgewicht Ag0-NP ⇄ Ag+).
Die Radiomarkierung erlaubt auch den Nachweis von Nanopartikeln in komplexen Medien. Im Projekt werden die Wechselwirkungen der Partikel mit Geomatrizes und der Transport in durchströmten Systemen untersucht. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Beurteilung der Ökotoxizität der freigesetzten Nanopartikel. Werden diese in Oberflächengewässer eingetragen, kann es zu Wechselwirkungen mit lebenden Organismen kommen. Biofilme werden als potenzielle Senke für technische Nanomaterialien beschrieben. Diese sind ein wichtiger Bestandteil von Ökosystemen und könnten dazu beitragen, dass Partikel über die Nahrungsaufnahme höherer Organismen (z. B. Daphnien) in Nahrungsketten eingetragen werden. Systematische Studien sollen zu detaillierten Erkenntnissen hinsichtlich der Mobilität und möglicher Risiken der eingesetzten TiO2 und Ag0-NP für die Umwelt führen.
Die ganzheitliche Betrachtung von Nanopartikeln in Lacksystemen und Beschichtungen hinsichtlich Produktion, Alterung und Verschleiß, Partikelfreisetzung und deren Verbleib in der Umwelt soll als Datengrundlage für eine Risikoabschätzung dienen und zur Validierung und ggf. Anpassung von Lackformulierungen beitragen.

  • Poster
    WING.DE 2011, 04.-06.10.2011, Berlin, Deutschland

Permalink: https://www.hzdr.de/publications/Publ-15873