Ungeduldige Wissenschaftler: Bestimmung langlebiger Radionuklide mittels Beschleunigermassenspektrometrie (AMS)


Ungeduldige Wissenschaftler: Bestimmung langlebiger Radionuklide mittels Beschleunigermassenspektrometrie (AMS)

Merchel, S.

Abstract

Das Forschungszentrum Dresden-Rossendorf (FZD) erweitert diesen Sommer sein Portfolio um eine weitere hochsensitive analytische Methode: die Beschleunigermassenspektrometrie (accelerator mass spectrometry, AMS). Die AMS ermöglicht insbesondere die Bestimmung langlebiger Radionuklide mit Halbwertszeiten im Bereich von ka bis Ma.

Entgegen der sonst allgemein üblichen Zerfallszählung warten die „ungeduldigen AMS-Wissenschaftler“ dabei nicht auf den Zerfall des Radionuklids und die Detektion des durch den Zerfall emittierten Teilchens bzw. der Strahlung. Vielmehr werden die noch nicht zerfallenen Radionuklide wesentlich effizienter massenspektrometrisch bestimmt. Die AMS besitzt allerdings gegenüber der konventionellen Massenspektrometrie den Vorteil, dass sie Störsignale, hervorgerufen von Molekülionen oder Ionen ähnlicher Masse, insbesondere Isobare, effektiver unterdrücken kann. Die AMS liefert somit weitaus niedrigere Nachweisgrenzen als die konventionellen Methoden.

Im Gegensatz zu den in Deutschland und Europa gängigen niederenergetischen AMS-Anlagen, die sich hauptsächlich auf die Bestimmung des Radiokohlenstoffs (14C) spezialisiert haben, wird die AMS-Anlage des FZD - DREAMS (DREsden AMS) - als erste moderne Anlage in der EU mit einer Terminalspannung von 6 MV betrieben werden. Sie ist somit prädestiniert zur effizienten und hochempfindlichen Analyse der Radionuklide 10Be, 26Al, 36Cl, 41Ca und 129I (t1/2=0,1-15,7 Ma).

Die Einführung der AMS wird die interne Vernetzung der FZD-Forschungsaktivitäten im Bereich Materialforschung, Strahlenphysik, Radiochemie und Radiopharmazie vorantreiben. Darüber hinaus wird die AMS aber auch externen Nutzern zur Verfügung stehen. Die möglichen Arbeitsgebiete sind vielfach und multidisziplinär. So haben die instrumentellen Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der AMS, die Anwendungsfelder der Methode stark ausgeweitet. Die anfänglich bevorzugt untersuchten Proben aus der Kosmochemie, Astrophysik und Kernreaktionsdaten, werden zunehmend von Proben aus den Bereichen Strahlenschutz, Nuklearsicherheit, Nuklearentsorgung, Radioökologie, Phytologie, Ernährungswissenschaften, Toxikologie und Pharmakologie verdrängt.

Zudem hat die AMS vor allem in den Geo- und Umweltwissenschaften in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Mittels kosmogener Radionuklide können relativ plötzlich aufgetretene prähistorische Ereignisse wie Vulkanausbrüche, Bergstürze, Tsunamis, Meteoriteneinschläge und Erdbeben datiert werden. Die Quantifizierung von geomorphologischen Vorgängen wie Erosion und Flusseinschnitte über lange Zeiträume, sowie hydrogeologische Studien sind ebenfalls möglich. Mittels der Datierung von Gletscher-bewegungen und Untersuchungen an Eisbohrkernen können zudem Klimaveränderungen rekonstruiert und Klimamodelle für die Zukunft validiert werden.

Nach dem Motto „Ready for dreams for DREAMS“ sehen wir gespannt den neuen AMS-Möglichkeiten am FZD und den damit verbundenen interdisziplinären Kooperationen, vor allen Dingen auch im Bereich der Helmholtz-Gemeinschaft, entgegen.

Keywords: cosmogenic radionuclides; TCN; AMS; accelerator mass spectrometry

  • Lecture (others)
    Glaziologie-Seminar, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, 18.02.2010, Bremerhaven, Deutschland

Permalink: https://www.hzdr.de/publications/Publ-13779