Realitätsnahe Einbindung von Sorptionsprozessen in Sicherheitsanalysen


Realitätsnahe Einbindung von Sorptionsprozessen in Sicherheitsanalysen

Stockmann, M.; Brendler, V.; Schikora, J.; Noseck, U.; Flügge, J.

Abstract

Als Teil eines Langzeitsicherheitsnachweises für Endlager mit radioaktiven Abfällen sind auch Szenarien zu betrachten, bei denen es zu einer Mobilisierung von Radionukliden aus den Abfällen und damit zu deren Transport durch das Endlagersystem kommen kann. Eine wichtige Barriere im System eines Endlagers stellt neben dem Wirtsgestein auch das darüberliegende Deckgebirge dar. Der Transport durch die Geosphäre wird für viele Radionuklide durch Sorption an Oberflächen vorhandener Mineralphasen verlangsamt. In bisher verwendeten Transportprogrammen wird die Rückhaltung der Radionuklide über zeitlich und räumlich konstante Verteilungskoeffizienten (Kd Werte) beschrieben.
Im Rahmen des Vortrages wird das Verbundprojekt ESTRAL (Realitätsnahe Einbindung von Sorptionsprozessen in Transportprogramme für die Langzeitsicherheitsanalyse) (Kooperations-partner: HZDR Dresden-Rossendorf und GRS Braunschweig) vorgestellt. Ziel des Projektes ist es, eine neue Methodik zur Berücksichtigung der Sorption im bestehenden reaktiven Transportcode r³t (radionuclide, reaction, retardation, and transport, GRS) zu entwickeln und zu erproben. Dabei werden die bisher konditionellen Kd-Werte durch so genannte smart Kd-Werte ersetzt, welche auf Basis mechanistischer Modelle (Oberflächenkomplexierungsmodelle) als Funktion wichtiger Einflussgrößen Ei (z. B. pH, Ionenstärke, pCO2, Konzentration Ca2+ und Al3+) im geochemischen Speziationscode PHREEQC berechnet werden. Mit dieser Weiterentwicklung von r3t wird ein Instrumentarium zur Verfügung gestellt, mit dem der Radionuklidtransport unter sich verändernden geochemischen Bedingungen (z. B. infolge Klimaänderungen) realitätsnäher beschrieben werden kann. Eine solche Vorgehensweise wird exemplarisch für den Radionuklidtransport im Deckgebirge des möglichen Endlagers im Salzstock Gorleben entwickelt. Einzelne Einflussgrößen Ei sind bislang im Transportcode r³t nicht verfügbar. Hierzu werden geeignete Methoden zum Transport dieser Parameter sowie Gleichungen zur Beschreibung des pH-Wertes und der Ionenkonzentrationen als Funktion der verfügbaren Mineralphasen in r³t implementiert. Anschließend kann r³t für jeden Raum-Zeit-Punkt vorberechnete Verteilungs-koeffizienten aus einer mehrdimensionalen Matrix in Abhängigkeit von den jeweiligen geochemischen Bedingungen abrufen.
Anhand von Anwendungsrechnungen wird das weiterentwickelte Programm erprobt. Dafür werden zwei verschiedene Prozesse, die als Folge klimatischer Veränderungen auftreten können, untersucht: (1) Der Eintrag von Nordseewasser in das Deckgebirge für den Fall einer Meerestransgression während eines Klimaoptimums, und (2) Die Entwicklung des Deckgebirges in einer Warmzeit nach einer Kaltzeit mit lang andauerndem Permafrost. Bei beiden Prozessen werden sich die geochemischen Bedingungen erheblich verändern, was zu einer gravierenden Veränderung des Sorptionsverhaltens vieler Radionuklide führen wird.

  • Eingeladener Vortrag (Konferenzbeitrag)
    Jahrestagung Kerntechnik, 17.-19.05.2011, Berlin, Deutschland

Permalink: https://www.hzdr.de/publications/Publ-15516