Ein Modellierungsansatz zur numerischen Simulation disperser und aufgelöster Strukturen mit Morphologieübergang


Ein Modellierungsansatz zur numerischen Simulation disperser und aufgelöster Strukturen mit Morphologieübergang

Schlegel, F.; Krull, B.; Lehnigk, R.; Meller, R.; Tekavcic, M.

Abstract

Die numerische Simulation hat sich in den letzten Jahrzehnten stetig weiterentwickelt und ist im Bereich der Aerodynamik und der Hydrodynamik zu einem etablierten Werkzeug für die Auslegung und Fehleranalyse von Bauteilen herangereift. Der Schwerpunkt der Forschung verlagert sich daher zunehmend auf die numerische Simulation mehrphasiger Strömungen. Derartige Mehrphasenströmungen zeichnen sich durch eine hohe Dynamik, komplexe physikalische Vorgänge und eine große Spanne an Längenskalen aus, die überwiegend mit den sich ausbildenden Grenzflächen zusammenhängen. Insbesondere in der Chemie- und Verfahrenstechnik sind solche Problemstellungen häufig anzutreffen und entsprechend viel Forschungsbedarf ist vorhanden. Allerdings liegt der Schwerpunkt der jeweiligen Forschungsarbeit und Modellentwicklung jeweils auf numerischen Simulationen für eine spezifische Morphologie: a) Verfahren zur Simulation von dispersen Strukturen, bei welchen die Grenzflächen durch das numerische Gitter nicht erfasst werden (Euler-Euler, Euler-Lagrange) und b) Verfahren, bei welchen die Grenzflächen aufgelöst werden (Volume-of-Fluid, Level-Set). Jedoch gibt es eine Vielzahl von technischen Fragestellungen, bei denen die auftretenden Morphologien – und damit das am besten geeignete Verfahren – nicht a priori bekannt sind. Hierzu gehören u. a. Flotationszellen, Kältemaschinen, biologische und chemische Reaktoren, Destillationskolonnen, Drall-basierte Abscheider oder Fliehkraftpumpen für mehrphasige Strömungen. Seit einiger Zeit werden für derartige Problemstellungen spezielle hybride Simulationsmethoden entwickelt: 2-Feld-Ansätze mit entsprechendem Morphologieblending, 4-Feld-Ansätze mit spezifischen numerisch motivierten Phasen, Drift-Flux-Methoden auf Volume-of-Fluid-Basis oder auch das Blending zwischen Simulationsmethoden wie Euler-Euler und Level-set.
Der vorliegende Beitrag stellt einen 4-Feld-Ansatz vor, welcher seit einiger Zeit am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf in der quelloffenen Bibliothek OpenFOAM entwickelt und validiert wird. Die wesentlichen Entwicklungskriterien und -ziele sind:

  • robuste Anwendbarkeit für ingenieurstechnische Fragestellungen in der Chemie- und Verfahrenstechnik,
  • Anwendung eines einheitlichen Satzes von Gleichungen, welcher die verschiedenen Simulationsmethoden enthält (kein Blending zwischen den Methoden),
  • für hochauflösende numerische Gitter sollen die Ergebnisse für aufgelöste Grenzflächen denen einer algebraischen Volume-of-Fluid-Simulation entsprechen,
  • für niedrigauflösende Gitter sollen die Ergebnisse für disperse Strukturen denen des Euler-Euler-Verfahrens entsprechen,
  • Phasen, welche eine aufgelöste Grenzfläche ausbilden, und Phasen, welche dispers in einer anderen Phase vorliegen, sind eigenständige numerische Phasen,
  • ein Morphologieübergang zwischen aufgelösten und dispersen Strukturen soll über entsprechende Massentransfermodelle zwischen den numerischen Phasen realisiert werden und
  • disperse Phasen sollen mit aufgelösten Grenzflächen interagieren können (Übergang, Aufplatzen, Schaumbildung).
Der derzeitige Entwicklungsstand umfasst u. a. die Modellierung aufgelöster Grenzflächen im Euler-Euler-Modell, die erfolgreiche Verifikation anhand von Volume-of-Fluid-Simulationen, die Modellierung aufgelöster Strukturen auf zu groben Gittern durch entsprechende Schließungsmodelle, die Stabilisierung des Euler-Euler-Verfahrens für disperse Strukturen auf zu feinen Gittern und einfache Massentransfermodelle für den Morphologieübergang. Die Fähigkeiten des Modellansatzes für mehrphasige Strömungen mit Morphologieübergang werden anhand einer Sprudelschicht und eines Drall-basierten Abscheiders für Gasblasen demonstriert.
Eine wesentliche Intention des Beitrages ist es, die am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf entwickelte Simulationstechnologie der deutschen Chemie- und Verfahrenstechnik vorzustellen, um für die Weiterentwicklung Kooperationspartner und Anwendungsfälle zu finden. Vertrauensvolle Partnerschaften zwischen Forschungszentren und Industrie sollen es der Spitzenforschung der Helmholtz-Gemeinschaft ermöglichen, die Technologieführerschaft der deutschen Chemie und Verfahrenstechnik langfristig sicherzustellen., Dazu sollen Schwachstellen in der Modellierung mit komplexen, realistischen Anwendungsfällen identifiziert werden und die Robustheit der Methode soll durch ein großes Spektrum von Anwendungsfällen gewährleistet werden.
  • Poster (Online Präsentation)
    Jahrestreffen der ProcessNet-Fachgruppen Mehrphasenströmungen, Mechanische Flüssigkeitsabtrennung sowie Zerkleinern und Klassieren, 21.-22.02.2022, Leipzig, Deutschland

Permalink: https://www.hzdr.de/publications/Publ-33226